Rom 2023 – Tag 1

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Meine mir Liebste und ich haben uns für einen Kurztrip nach Rom entschieden. Rom, Dank Albius Tibullus ewige Stadt genannt, ist ja definitv immer eine Reise wert und wir wollten unsere bisher getrennt gesammelten Eindrücke zu einer gemeinsamen Erinnerung verschmelzen.

Wir kamen am Bahnhof Termini an und am Weg zu unserem Hotel machten wir einen eigentlich ungeplanten Halt bei einem der beeindruckensten Kirchengebäude Roms: der Basilika Santa Maria Maggiore. Nichts in Rom ohne passende Legende: die Heilige Jungfrau Maria soll sowohl einem römischen Ehepaar, das sich nichts sehnlicher als einen Sohn gewünscht haben soll, als auch Papst Liberius höchstselbst (vom dem nichts über männliche Nachfahren oder Wünsche danach bekannt sind), im Traum erschienen sein. Man möge ihr zu Ehren doch eine Kirche errichten, und zwar genau dort wo am nächsten Morgen Schnee liegt. Dann soll der Kinderwunsch in Erfüllung gehen. Und siehe da, am nächsten Morgen, es war der 5. August 352, lag Schnee auf dem Esquilinhügel und die Kirche wurde sodann errichtet. Daher auch die Bezeichnung Unsere Liebe Frau vom Schnee. Man darf annehmen, daß der Sohn des römischen Ehepaars als das teuerste Kind der Geschichte einging…

Wenn man sich der Basilika von der Piazza Santa Maria Maggiore nähert und, ohne zuvor die Ausmaße zu bemerken, eintritt, ist man überwältigt. Nach dem Betreten glänzt dem Besucher die vergoldete Decke aufs geneigte Haupt. Die Überlieferung besagt, daß dies das erste Gold gewesen sei, daß die spanischen Conquistadores aus dem neu „entdeckten“ Amerika ins alte Europa schifften. Einfuhrumsatzsteuer dürfte es damals noch nicht in der heutigen Form gegeben haben, jedenfalls stiftete Kaiserin Isabella besagtes Gold (oder Teile davon) dem Papst. Wer hat, dem sei gegeben.

Der Grundriß ist simpel und geradlinig aber durch die Kombination aus der Kuppel, dem Baldachin und der Confessio mit der Skulptur Pius’ IX erhält man ein Raumwunder, das immer neue Perspektiven schafft und staunen lässt. Bemerkenswert in ihrem Detailreichtum sind auch die erhaltenden frühchristlichen Mosaike an den Seitenwänden. Den Blick auf den Boden sollte man auch nicht vergessen, sonst überschreitet man nämlich die grandiosen Mosaike der Kosmaten ungesehen.

Weitere Ausführungen erspare ich mir hier, es würde den Rahmen sprengen. Nein, einen habe ich noch: Bereits erwähnte Confessio unterhalb des Hauptaltares beherbergt nämlich eine Reliquie. Es soll sich um Teile der (einzig wahren und echten, wie sich versteht) Krippe Jesu Christi handeln, was den davor kniend betenden Papst Pius IX erklärt.

Wir sind dann, dem ursprünglichen Plan wieder folgend, zum Hotel um die Koffer loszuwerden. Das ist gar nicht so einfach, also nicht das Koffer loswerden, sondern das ohne Umwege zum Hotel gehen. Nicht etwa weil es so furchtbar kompliziert gewesen wäre, sondern weil es an jeder Ecke dieser Stadt etwas zu sehen gibt. Also schummelte sich noch ein Blick auf den Trevibrunnen, die Siegessäule des Marc Aurel und ein Blick auf das italienische Parlament hinter dem Obelisken von Montecitorio dazwischen.

Danach sind wir ein wenig geschlendert, haben das Pantheon mit der lange Zeit größten freitragenden Kuppel der Welt, noch dazu ein perspektivisches Meisterwerk, bestaunt.

Ein weiteres kleines Meisterwerk steht auf einem kleinen Platz neben dem Pantheon: Gian Lorenzo Berninis Elefant mit dem ägyptischen Obelisco della Minerva auf dem Buckel. Inspiration für den steinernen Elefanten war, wie die Forschung vermutet, ein Elefant aus Fleisch und Blut, der von einem Schausteller durch ganz Europa gekarrt wurde. 1626 erstmals in Paris zu sehen, musste der Dickhäuter unter Anderem Frankfurt, Nürnberg, Amsterdam, Graz und schließlich 1630 Rom über sich ergehen lassen. Für den Elefanten ging es bedauerlicherweise danach noch weiter, aber hier beginnt die Geschichte. Die Legende besagt nämlich, daß die Positionierung des Hinterteils des Obeliskenträgers nicht zufällig ist sondern absichtlich genau in Richtung des Eingangs zum Orden der Dominikaner zeigt. Bernini soll im Streit gewesen sein mit den Dominikanern und ihnen so auf elegante aber eindeutige Weise gezeigt haben, was er von der ganzen Sache hält. Somit war das Erste, das die Dominikaner sahen, wenn sie ihr Kloster verließen: der nackte Hintern eines Elefanten direkt vor ihrer Nase. Nun, tatsächlich ausgearbeitet hat Berninis Entwurf Ercole Ferrata, der jedoch ein Schüler Berninis war – somit könnte dieser Legende tatsächlich ein wahrer Kern innewohnen…

Danach sind wir auf der Piazza Navona gewandelt und haben dort einen Zwischenstop eingelegt. Zeit also für interessante Fakten. Heute sieht man nichts mehr davon (obwohl die Form es erahnen lassen könnte) und die Piazza Navona ist dieser Tage bekannt für den grandiosen Vierströmebrunnen Gian Lorenzo Berninis oder den Palazzo Pamphilj, aber ursprünglich war dieser Platz ein Stadion für athletische Wettkämpfe, in Auftrag gegeben von Gaius Iulius Caesar (ja, genau: der Cäsar).

Die Kirche Sant’Agnese in Agone steht ebenfalls an diesem Platz und hier schließt sich der Kreis zum antiken Stadion. Namensgeberin der Kirche ist nämlich eine gewisse Agnes von Rom. Besagte Agnes sollte verheiratet werden. Die Zwölfjährige wurde dem Sohn eines Präfekten versprochen. Agnes weigerte sich mit dem Argument, sie könne gar nicht heiraten, denn sie wäre nämlich bereits verlobt. Verlobt mit wem? Na, mit Jesus Christus persönlich, weshalb sie natürlich einen sterblichen Präfektensohn unmöglich heiraten konnte. Entweder war der Präfekt, der Sohn des Präfekten oder wer auch immer ziemlich erzürnt über diese Wendung und Agnes wurde vor Gericht gezerrt und, wie es anscheinend bezüglich heiratsunwilliger Kinder so üblich war, zum Tode verurteilt.

Zuvor allerdings gab es noch ein rechtliches Schlupfloch zu stopfen: die Hinrichtung von Jungfrauen war verboten. Daher schleppte man sie in den „Circus Agonalis“, entkleidete sie und sie sollte von dem Bürschlein, das sie eigentlich heiraten sollte, öffentlich vergewaltigt werden. Ein gleißend helles Licht sei zu sehen gewesen und ihr seien die Haupthaare so schnell und so üppig gewachsen, daß sie ihren gesamten Körper bedeckten. Eine haarige Angelegenheit. Der Präfektensohn ließ sich davon jedoch nicht beirren und versuchte sein vermeintliches Recht durchzusetzen. Daraus wurde auch nichts, denn ein „böser Geist“ strangulierte ihn – zurecht, wie ich anmerken möchte.

Jetzt ist davon auszugehen, daß jemand, mit dem sich Jesus Christus verlobt, ein guter Mensch ist und daraus ist zu erklären, daß Agnes für den Burschen zu beten begann – und der auch tatsächlich wieder von den Toten auferstand. Irgendwie war das mit den Zeichen und Wundern wohl noch nicht so ganz im kollektiven Bewusstsein verankert, denn die gute Agnes wurde somit als Hexe erkannt und sollte daher auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Ein gutes Beispiel für Lernresistenz. Nun, die Hexenverbrennung verlief ebenfalls nicht wie geplant, da sich das Feuer weigerte Agnes auch nur medium rare zu grillen.

Einem römischen Soldaten hat das dann irgendwie gereicht und hat, die von mir frei erfundenen Worte „Alles muß man selber machen“ stöhnend, Agnes mit einem Schwertstrich enthauptet und diese war nun offensichtlich endlich tot. Agnes zu Ehren wurde die eingangs erwähnte Kirche errichtet und ich werde jetzt nicht auch noch auf die nicht uninteressante Baugeschichte eingehen, nur soviel: Bauherr beauftragt Architekt, Architekt überwirft sich mit Bauherr, Bauherr feuert Architekt, neuer Architekt (der berühmte Francesco Borromini), Bauherr stirbt, Architekt wird gefeuert, Fertigstellung unter Hochdruck ohne Architekt.

Die Reliquien der Agnes von Rom sind übrigens, falls die jemand suchen sollte, nicht in Sant’Agnese in Agone aufbewahrt sondern sind in Sant’Agnese fuori le mura zu finden.

Wir schlenderten zum Tiber und erhaschten erste Blicke auf die Kuppel des Petersdoms und besuchten danach die Engelsburg.

In der Engelsburg gibt es ein kleines Cafe und man kann, sofern man einen passenden und freien Tisch ergattert, einen wunderbaren Blick auf den Petersplatz genießen – im Sitzen und mit traditionell leistbarem Kaffee obendrein.

Danach zog es uns zur blauen Stunde noch zum Petersplatz selbst, bevor wir uns nach dem Abendessen – müde von der Anreise und dem ersten Tag – ins Bett fallen ließen.