40. Malta Marathon 2025
Eingangs möchte ich meine mir selbst auferlegte, übergeordnete Mission erwähnen: einen Marathon in jeder Hauptstadt eines europäischen Landes zu laufen. Nun, ganz trifft das auf den Malta Marathon nicht zu, denn er führt nur an der Hauptstadt Valletta vorbei und nicht mittendurch, heißt auch nicht so, ist aber derzeit nur eine von nur zwei Möglichkeiten auf Malta einen veranstalteten Marathon zu absolvieren: gekauft.
Am Tag zuvor fand die Startnummernabholung im Barcelo Fortina Hotel in Sliema statt. Sliema war zugleich das Ziel der Strecke, der Start erfolgte in Ir-Rabat direkt vor dem Tor zu Mdina. Dort hatte ich auch meine Zelte aufgeschlagen, denn der Startschuß sollte bereits um 7:00 morgens erfolgen und mir ist es um Einiges lieber, zwei Stunden länger zu schlafen, als mit einem Shuttle-Bus chauffiert zu werden.
Ich übernachtete also während meines Aufenthalts im Point de Vue Guesthouse in unmittelbarer Nähe sowohl zum Start als auch zu einer großen Busstation. So war sichergestellt, daß sowohl An-, Weiter- und Abreise möglichst reibungslos funktionieren konnten. Am Samstag, dem Tag vor dem Marathon, fuhr ich nach einem Halbtagsaufenthalt in Valletta mit dem Bus weiter nach Sliema. Kurz nach 14:00, dem Beginn der Startnummernausgabe, stand die gefühlte erste Hälfte der Teilnehmer vor mir und, nach längerer Wartezeit, die andere Hälfte hinter mir. Der Starterbeutel (ich verzichte hier ausdrücklich auf das Wort Sackerl, erwähne es hier aber ausdrücklich aus sentimentalen Gründen) bestand aus dem Beutel an sich, der auch als Kleidertransportbehältnis fungierte, der Startnummer und 4 Sicherheitsnadeln.

Danach fuhr ich wieder zurück nach Ir-Rabat um mich der großartigsten Tradition zu widmen, die ich je erfunden habe: der Pre-Race-Pizza. Auf dem Weg zu dieser unvergleichlichen Gaumenfreude, die mich für die kommenden Strapazen mit ausreichend Kohlenhydraten, gesunden sowie ungesunden Fetten und Mikro- sowie Makro- und Meganährstoffen versorgen sollte, erreichte mich die Nachricht über eine familiäre Krisensituation. Natürlich ist anzumerken, daß die Krise für den „Verursacher“ weit mehr und schwerer wiegt als für mich. Dennoch war mein Kopf daraufhin natürlich im Krisenmodus, der alle Möglichkeiten auslotet und abwägt, was denn am Besten zu tun sei. Aber ungefähr 2.000 direkte Kilometer entfernt von zu Hause konnte ich nichts ausrichten außer mit ein paar Worten möglicherweise etwas aufrichten. Daher zurück zur Pizza.
Fündig wurde ich, wobei: Nein, es war schon lange geplant, daß ich wieder in der Trattoria AD 1530 speisen würde. Diese wirklich gute und empfehlenswerte Gaststätte liegt in der Altstadt von Mdina und war bereits bei dem gemeinsamen Maltaurlaub mit der mir Liebsten Gegenstand der kulinarischen Ermittlungen. Ich öffne also die Tür und werde von dem Kellner gefragt: „May I help you, Sir?“ Ich wollte schon nach dem Weg fragen, da entfuhr es mir unter Berücksichtigung der Tatsache, daß das Lokal bis auf einen Tisch leer war: „Yes, do you have a table for, well, just for me?“ Besagter Kellner begann in einem dicken, dicken Buch zu kramen und nach einer gewissen Kramerei erwiderte er: „Yes, of course.“

Die Pizza war köstlich, das Bier war teuer und es hat sich gelohnt. „Oh, you forgot your glasses, Sir!“ „Thank you, I haven’t seen them.“
Da das Frühstück in dem bereits erwähntem Hotel nur zwischen 8:00 und 10:30 serviert wurde, der Start vom Marathon jedoch um 7:00 stattfinden sollte, habe ich tags zuvor mit dem multifunktionalen Rezeptionisten des Hotels gesprochen und gefragt, ob es denn am Marathontag ein early breakfast gäbe. Nein, wurde mir erklärt, aber man könne mir etwas vorbereiten. Ich entschied mich für etwas, das sie „Club Sandwich“ nannten. Es entpuppte sich, zu meiner Freude um 6:00 morgens, als ungetoasteter Toast mit zwei Scheiben Schinken und einer Scheibe Käse. Dazu gab es, freundlicherweise, einen Apfel.

Ziemlich genau um 6:30 betrat ich den Parkplatz mit angeschlossener Tankstelle. Der Startbogen wurde gerade erst aufgeblasen und auf der Straße tobte bereits der, für den Umstand, daß Sonntag war, starke Morgenverkehr. Dank der Tatsache, daß ich Malta bereits bereits bereist habe, war ich überzeugt davon, daß es entweder rechtzeitig klappen würde oder gekonnt improvisiert werden würde. Nun, so war es auch.

Pünktlich um 7:00 setzte sich der Pulk in Bewegung, wobei ca. 2.600 Starter, davon 1.095 auf der Marathondistanz und aus 80 Ländern, zu verzeichnen waren. Die Strecke war durchaus fordernd. Natürlich war ich informiert über den Fakt, daß die Strecke tendenziell bergab verlief. Dennoch gab es es durchaus nennenswerte Gegensteigungen, laut meiner Uhr 155 Höhenmeter aufwärts bei insgesamt 355 Höhenmeter abwärts. Hinzu kommt der durchaus nicht als optimal zu bezeichnende Zustand der maltesischen Straßen.

„Although not traffic free, the numerous traffic officers manning every key junction, enables participants to run or walk their event with little traffic around them for most of the time.“ Zu dieser Passage, zitiert aus der Website des Malta Marathon, muß ich mein ausdrückliches Lob aussprechen: Es waren tatsächlich ein Haufen Helfer auf den Straßen, die sowohl die Läufer als auch den daneben stockenden Verkehr so gut es ging organisiert haben. Dennoch war es zuweilen befremdlich, um es gehoben auszudücken, im Rahmen einer offiziellen Laufveranstaltung plötzlich neben einem LKW laufen zu müssen.
Aber, kommen wir zu dem Grund, warum ich das hier berichten kann: meinem Lauf. Grundsätzlich habe ich mir, nach der erfolgreichen Vorbereitung, das Leitmotiv ausgegeben, daß der Marathon einfach nur das letzte Training einer 16-wöchigen Phase ist. Natürlich ist das Quatsch, und das wusste ich auch, aber es ging mir darum nicht in Euphorie zu verfallen, wenn es anfangs bergab geht und nicht zu viel zu wollen, wenn es später bergauf geht.
So lief ich anfangs, mal wieder, viel zu schnell (4:35-4:45) aber ich versuchte mich zu bremsen. Die angepeilte Durchschnittszeit war 5:11 für eine Zielzeit von 3:38:00. Aber gleichzeitig bemerkte ich, daß – anders als in Berlin – meine Herzfrequenz in völlig verträglichen Bereichen angesiedelt war (ca. 150 aber immer <160). So ließ ich es bergab rollen und bergauf versuchte ich in der Schrittfrequenz zu bleiben – was mir im Nachhinein betrachtet mit einer durchschnittlichen Frequent von 89 / 188 fast mit dem Idealwert von 90 / 180 gelang.
Als nervig in Erinnerung blieb mir eine Runde durch den BOV Park bei Ta‘ Qali, wo man ein paar Mal vorbeikam. Es waren enge Radien zu laufen und die Blumenrabatte, so ansehnlich das auch sein mag, haben meine Konzentration und Koordination doch sehr gefordert. Dennoch, das möchte ich anmerken: ein schön angelegtes Areal.
Es gab für mich keinen Einbruch. Ab Kilometer 36 wurde dann mein Kampfgeist gefordert, wobei hier eine fiese Gegensteigung in Form einer Straßenbrücke zu bewältigen war. Dort hatte ich auch meine schlechteste Kilometerzeit von 5:40 min/km. Was habe ich mir da, als bekennender Bananenhasser, doch eine Banane gewünscht! Allerdings gab es, bis auf eine Station mit Orangen, keine von mir wahrgenommene Station mit Essbarem. Sehr gut positioniert, wenn auch gewagt spärlich vorhanden, waren hingegen die Stationen mit isotonischen Getränken. Diese waren just dort anzutreffen, wo ich mir dachte: He, ich brauche dringend etwas! Daß dies allerdings auf die Mehrheit der Läufer zutraf, darf dezent bezweifelt werden.
Die letzten Kilometer nach Sliema hinein und bis zum Ende, zum Ziel, stand nochmals Selbstüberwindung und der Kampf gegen die einsetzende Erschöpfung auf dem Programm. Es waren keine ruhmreiche Durchgangszeiten, die letzten beiden hart umkämpften Kilometer mit 5:24 und 5:26, aber es war bei Weitem kein Einbruch, es war bei Weitem nicht der Mann mit dem Hammer. Es war höchstens ein Männlein mit einen Hämmerlein.

Ich überquerte die maltesische Ziellinie in für mich derzeit sehr guten 3:36:08, was einer Pace von 5:05 min/km entspricht. Ich war dem entsprechend glücklich, stolz und zufrieden, das Trainingsziel von Woche 16/16, Training 4/4 erfolgreich abgeschlossen zu haben. Im Ziel bekam ich meine Finisher-Medaillie, noch verpackt in einem Plastikbeutel, überreicht, konnte mir Wasser und ein isotonisches Getränk sowie Bananen (endlich!) holen und wurde an der Küstenlinie Maltas mit Blick auf Valletta in die Selbstständigkeit entlassen.

Würde ich den Malta Marathon empfehlen? Bedingt. Einerseits liegt es vielleicht an mir bzw. daran, daß wir im Jahr zuvor 7 Tage auf Malta verbracht haben und ich sozusagen den ganzen maltesischen Zauber bereits intus hatte. Ich habe der mir Liebsten danach berichtet, es wäre ein Lauf ohne Highlights. Der Start war neben einer Tankstelle auf einem Parkplatz und das Ziel neben einem Hotel mit einer Tiefgarage, in der man sich die Kleiderbeutel wieder holen konnte. Natürlich erhascht man Blicke auf Mdina, auf Valletta, auf diverse Wegpunkte, die beutsam sind, wie zum Beispiel das Wignacourt-Aquädukt bei Birkirkara.

Ich fand den Vergleich mit dem Athen-Marathon recht passend: Durch ähnlich wüste Lanschaft führend, vermochte dieser doch durch den, zugegeben einmaligen, Start im historischen Marathon und dem Ziel im ebenso historischen Stadion Panathinaiko zu punkten. Natürlich habe ich keinen Einblick in die organisatorisch sicher nicht einfachen Belange, aber es würde meiner Meinung nach den Lauf bereits um Einiges aufwerten, würde man den Start nach Mdina selbst verlegen und durch Mdina Gate hindurch starten.
Als bekennender Halb-Misanthrop war es mir sehr recht, daß auf der Strecke so gut wie keine Zuschauer und demnach auch (fast) keine Unterstützer waren. Manch Andere wird dies gestört haben, ich verbuche dies jedoch als Pluspunkt auf der nach oben offenen Wednesday-Addams-Skala.
Nach einer kurzen Erholug am Meer versuchte ich einen Bus zurück nach zurück nach Ir-Rabat über Valletta zu bekommen. Und hier beginnt meine eigentliche Kritik an der Versanstaltung. Es war kommuniziert, durch einerseits Plakate auf den Busstationen sowie andererseits auf der Homepage der nationalen Busgesellschaft selbst, daß diverse Stationen nicht angefahren werden. So weit, so verständlich. Was allerdings fehlte, war eine Information darüber, welche Stationen denn nun bedient wurden. Ich ging also zur ersten Busstation und las, daß diese nicht in Betrieb war. Keine weitere Information. Ich ging zur nächsten Station. Dort wurde mir von einem Ordner erkärt, ich solle auf die gegenüber liegende Straßenseite wechseln, dort würden Busse fahren. So weit, so gut. Der Busfahrer jener Linie, die theoretisch Valletta ansteuern sollte, erklärte mir jedoch, es würden erst ab 15:00 wieder Busse nach Valletta fahren. Es war kurz nach 11:00. Einheimische bestätigten das. Also machte ich mich, im Vollbesitz meiner geistigen Sturheit, zu Fuß auf nach Valletta. Grundsätzlich wären diese 6 Kilometer ja ein gemütlicher Spaziergang, aber nach 42,2 Kilometer Laufen in den Beinen war das doch eine gewisse Herausforderung. Ich folgte also der nunmehr nur mehr theoretisch vorhandenen Buslinie und fand schlussendlich nach ca. der Hälfte des Weges jene erste Station, die wieder bedient wurde und fuhr somit in einem völlig überfüllten Bus, stehend, leidend und in (übertrieben) Agnonie nach Valletta und von dort aus (endlich sitzend) weiter nach Ir-Rabbat.
Abschließend möchte ich der mir Liebsten das Foto von unserem Schlumpf, gespendet von Renate, widmen: Danke für deine Unterstützung!
