Rom 2023 – Tag 3

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Den dritten Tag unseres Aufenthalts widmeten wir dem wohl bekanntesten Steinehaufen der Welt, dem Forum Romanum. Ich mag Steine: geschlichtet, ungeschlichtet, behauen, unbehauen, rund, eckig, ganz egal. Die Liebe zu Ruinen wurde mir von meinem Vater weitergegeben, mit dem ich als Kind regelmäßig Burgen und Schlösser besuchte.

Alles hat zwei Seiten. Zum Einen ist es natürlich beklagenswert, daß das einst prächtige Forum verfallen ist, zerstört und geplündert wurde. Zum Anderen wurden aus den Ruinen mitunter neue große Meisterwerke der Baugeschichte geschaffen. Abgesehen vom natürlichen Verfall und den wohl alltäglichen Mopsereien gab es zwei große Beschaffungsaktionen für Material: Papst Urban VI wollte im 14. Jahrhundert den Lateranpalast wiederherstellen lassen und im 16. Jahrhundert begab man sich auf die Suche nach passenden Steinchen für den Petersdom. Nennt man heutzutage wohl Upcycling.

Das Kolosseum ist wohl das bekannteste Fotomotiv des touristischen Roms. Will man es von innen sehen, sollte man tunlichst eine der jetzt überall so beliebten Timeslot-Karten kaufen, da es ansonsten schon ausgebucht sein kann. Ich persönlich finde ja, daß man es von innen nicht unbedingt gesehen haben muß. Da ist die mir Liebste anderer Meinung, also statteten wir dem Ding dennoch einen Besuch ab. Gut, es ist das größte Amphitheater der Welt und bahnbrechend in vielen Belangen. Daher noch ein paar Ohos: Das Kolosseum konnte, bevor die heute noch sichtbaren unterirdischen Gänge nachträglich errichtet wurden, geflutet werden und es wurden tatsächlich Seeschlachten vorgeführt. Das Kolosseum verfügte über ca. 80 Eingänge, konnte in 15 Minuten besetzt und in 5 Minuten geräumt werden. Interessanter finde ich dazu noch, daß man sich auch heute noch diesem System der vielen Zugänge bedient, welche die Römer poetisch Vomitorum nannten – wobei, man kann es bereits erahnen, Vomitorium von lateinischen Wort für Erbrechen kommt. Da, wie ich immer noch finde, es innen etwas weniger zu sehen gibt als von außen, habe ich mich darauf konzentriert ein paar grafische Fotos zu kreieren. Man möge mir verzeihen.

Weiter schlumpften wir zu einem – für mich zumindest – interessanteren Ort, nämlich dem mamertinischen Kerker, auch Carcer Tullianus genannt. Gesichert ist, daß hier der letzte gallische Fürst Vercingetorix gefangen gehalten und ermordet wurde. Der letzte gallische Fürst? Ja, leider. Aber, ich habe es eingangs am Tag 1 dieses Reiseberichts erwähnt, kein Ort in Rom ohne Legende: hier sollen sowohl der Apostel Paulus als auch Petrus gefangen gehalten worden sein, wobei die heute noch sichtbare Quelle auf ein Wunder zuvor erwähnter Herren zurückgehen soll, die das Wasser, wohl auch zum Trinken, aber auch zum Taufen benötigt haben sollen. Da die ursprüngliche Funktion dieses Kerkers ein Brunnenhaus war, darf am Wunder durchaus gezweifelt werden.

Der Palatin Hügel ist das eigentliche Zentrum Roms: hier wurde der Legende nach von Romolus die Stadt gegründet und es gibt sogar Reste eines Hauses, das als Casa Romoli bekannt ist und eben jene Behausung des Gründers gewesen sein soll. Es steht zu lesen, daß Palatinus als Eigenname der Urahn der Worte Palazzo, Palais, Palace und Palast sei. Das muss man mal schaffen als Hügel!

Um die thematische Brücke zum Tempel des Divus Iulius zu schlagen: Romolus wurden vergöttlicht, das heißt, er wurde zum Gott erhoben. Das schaffte erst wieder Gaius Iulius Caesar, der logischerweise erst nach seiner Ermordung zum Gott Divus Iulius erhoben werden konnte, da es zuvor wohl schwierig gewesen wäre, einen Gott zu erdolchen. Sei es drum, heute noch sichtbar ist der Altar des Gottes Iulius.

Das Nationalmonument zu Ehren des ersten Königs des vereinten Italiens Vittorio Emanuele II ist dezent monströs. Die Bauzeit von 1885 beginnend bis zur Fertigstellung 1927 dauerte satte 42 Jahre – zu lange für den Architekten Giuseppe Sacconi, der die Fertigstellung nicht erlebte. Man kann von dort oben einen schönen Ausblick auf das Forum Romanum und Rom an sich genießen.

Das Torre Argentina ist ein Platz mit antiken Ausgrabungen, aber das ist nur ein Aspekt, für den das Areal bekannt ist. Es beherbergt nämlich jede Menge Katzen und wird auch als Versorgungsstation betrieben. Ein Muß also für jeden Katzenliebhaber.

In Sant’Ignazio findet man ein paar Gräber von Heiligen und einem Papst, das eigentliche Wunder, wenn man so will, ist allerdings der Blick in den Himmel. Die Apotheose des heiligen Ignatius ist ein perspektivisches Deckengemälde von Andrea Pozzo, ein Meisterwerk. Bei meinem letzten Aufenthalt war noch alles in Ordnung: man suchte die Marmorplatte im Boden, die den korrekten Standpunkt angibt um die Perspektive voll wirkend betrachten zu können, stellte sich dort hin und staunte. Irgendjemand kam jeeoch auf die glorreiche Idee an dieser Stelle einen Spiegel aufzustellen, damit man den Kopf nicht mehr heben muß. Eine Katastrophe. Das Ergebnis: eine lange Schlange vor dem Spiegel, gefühlt jeder muß ein Selfie machen und niemand kann das Werk noch so betrachten, wie es betrachtet werden muß (!) um einwandfrei zu funktionieren. Katastrophe.

Nachdem ich gestern endlich die Fassade der Bibliotheca Hertziana bewundern konnte, wollte ich heute das Innere von San Carlo alle Quattro Fontane bestauen. Bei meinen letzten beiden Aufenthalten fand ich die Kirche, welche nach den Plänen von Francesco Borromini errichtet wurde und als sein Hauptwerk, ja Lebenswerk, gilt, leider verschlossen vor. So auch heute. Die Kirche ist ein Raumwunder auf engstem Platz. Die gesamte Kirche nimmt in etwa jene Grundfläche ein, die ein Vierungspfeiler des Petersdoms in Anspruch nimmt. Von Außen sieht man schon den Wechsel von konkaven und konvexen Fassadenelementen, das Innere soll nicht weniger komplex sein durch eine ovale Grundform, durchbrochen von halbrunden und ovalen Nischen und Apsiden. Leider kann ich das immer noch nur aus zweiter Hand beurteilen.

In relativer Nähe liegt der Palazzo Barberini, welcher die­ Galleria Nazionale D’Arte Antica beherbergt.

Nun bin ich zwar kunstaffin, habe jedoch keinerlei Hintergrundwissen um die Meisterwerke entsprechend beurteilen zu können. Ich gehe vor nach dem altehrwürdigen Konzept des spricht mich an oder spricht mich nicht an vor.

So weiß ich zum Beispiel nicht, ob nur ich das so sehe oder man das Jahrhunderte zuvor anders gesehen hat, aber Bonaventura Berlinghieri’s Kruzifix lässt mich zweifeln, daß Herr Berlinghieri jemals Bauchmuskeln in Echt sah. Andererseits, hätte er gemalt, was er kannte und sähe das so aus, wie ich es sehe: ich wäre beeindruckt.

Caravaggio hingegen kenne sogar ich als Kunstzwerg. Man nennt ihn den Archetyp des verruchten Künstlers: so wurde er aus Rom wegen Totschlag verbannt und weilte bis zu einer weiteren tätlichen Auseinandersetzung auf Malta bevor er im Alter von nur 38 Jahren an unbekannter Ursache starb. Caravaggios Version von Judith und Holofernes zeigt nicht den Moment vor oder den Moment nach der Enthauptung, sondern den Tathergang der Enthauptung, in schönem Detailreichtum, selbst. Unnützes Wissen: Als Modell für die Judith stand eine gewisse Fillide Melandroni, hauptberuflich Dirne. Besagte Dirne war Caravaggios bevorzugtes Modell für biblische Frauengestalten. Ich mag die Ironie.

Simon Vouet ist mir namentlich unbekannt, jedoch amüsierte mich das Gemälde „Die Wahrsager“. Ein notgeiler Bursch wird von einer jungen hübschen Wahrsagerin verführt, während ihm die alte Komplizin, schelmisch grinsend mit eindeutiger Symbolik, die Taschen leert.

Mit Bacchus und Trinker von Bartolomeo Manfredi konnte ich mich auch anfeunden, irgendwie repräsentiert Bacchus für mich die Sucht, während der Trinker die Kontrolle über sein Handeln aufgibt und dem Gott des Weines überlässt.

Im Letzten Abendmahl von Valentin de Boulogne – ich habe ein wenig recherchiert aber nichts konkretes gefunden – scheint es, als sei ein Jünger eingeschlafen. War die Predigt zu lang oder hat er zu viel Weinwasser getrunken?

Am Abend schlenderten wir noch auf der Piazza Navona und ließen den tag in herrlichem Ambiete ausklingen.